Wenn die Kindheit ein Haufen unsortierter Bilder ist

Triggerwarnung: In diesem Text geht es um Kindheitstrauma, Vernachlässigung, Sucht, sexualisierte Grenzverletzungen, Dissoziation und emotionale Gewalt. Bitte achte gut auf dich beim Lesen.

Dieser Beitrag ist die Konsequenz eines inneren Prozesses, der mich in den letzten Tagen tief beschäftigt hat. Und ganz ehrlich: Welche Konsequenzen wiederum dieser Text auslösen wird – in mir, in dir, im System – kann ich noch nicht abschätzen.

Aber da ist dieses Gefühl in mir, das sagt: Die Zeit ist reif. Es fühlt sich richtig an. Nicht, um Schuldige zu benennen oder jemanden in ein falsches Licht zu rücken. Sondern, um für mich etwas abzuschließen.

Die Geschichte, die du hier liest, ist nicht außergewöhnlich. Sie ist eine von vielen – und vielleicht ist sie besonders, weil es meine ist. Weil ich sie erzähle.

Ich schreibe diese Geschichte nicht aus Groll, nicht aus Schuld, nicht aus Scham. Auch nicht aus Wut. Die Worte fließen vielmehr aus einer tiefen Wertschätzung mir selbst und meinem Erleben gegenüber. Sie entstehen aus einem inneren Raum, der bereit ist, hinzusehen.

Und aus dem Wunsch, anderen einen feinen, sicheren Blick auf das Eigene zu ermöglichen, dass vielleicht noch tief verborgen liegt. Das gehütet wird und doch immer wieder schmerzt, lähmt und negativ beeinflusst.

Schwarz-weiß-Fotografie unsortierter Kinderfotos – Symbolbild für verdrängte Kindheitserinnerungen und Kindheitstrauma

Wie war deine Kindheit? Eine einfache Frage ohne einfache Antwort

Kindheitstrauma erkennen und verstehen

Wie war deine Kindheit?

Diese scheinbar harmlose Frage konnte ich lange nicht beantworten. Denn meine frühen Erinnerungen sind kein zusammenhängendes Album, sondern ein Haufen alter, unsortierter Bilder: verknickt, verschwommen, manche kaum erkennbar, andere schmerzhaft scharf.

Wenn ich an meine Kindheit denke, sehe ich Grau. Kein warmes Licht. Kein buntes Familienalbum. Keine Leichtigkeit.

Das heißt nicht, dass es keine schönen Momente gab – aber sie wirken überdeckt von etwas Schwerem. Etwas, das immer da war. Und das alles Gute überschattete.

Erinnerungsfetzen und Körperwahrnehmung

Ich erinnere mich an klare Details: den Holzboden in meinem Kinderzimmer, die Ritzen, in denen Spielzeug verschwand. Und ich erinnere mich an das Gefühl, nachts allein zu sein, zu weinen – und dass niemand kam.

Ich war ein Kind. Ich hatte keine Worte für das, was da um mich herum geschah.

Es wurde viel geraucht. Viel getrunken. Essen gab es nicht immer genug. Dafür Geschichten, über die man lachte – auch wenn sie verstörend waren. Die Finger meines Vaters waren ganz gelb und ich kann mich an ihren beissenden Geruch erinnern, den ich überhaupt nicht mochte. Genauso wie seine schuppigen, fettigen Haare. Ich kann mich aber nicht an ihn als Ganzes erinnern. Als Person. Als der Vater, der er war. Er ist vielmehr ein Gespenst – obwohl ich ihn meine ersten zehn Lebensjahre um mich hatte. Erinnerungen an mein Grossvater und meine Grossmutter sind viel lebendiger, ganzer, kongruenter. Sie waren auch präsenter. Wenn sie da waren.

Leere Polaroid-Bilder auf grauem Holzhintergrund – Symbol für fehlende Kindheitserinnerungen und Dissoziation bei Kindheitstrauma

Frühkindliche Schutzstrategien und Selbstregulation

Was niemand sah: Ich lernte früh, mich selbst zu beruhigen. Ich entwickelte Strategien, die mein Körper bis heute kennt. Ich lernte, die Menschen um mich herum zu lesen. Ich spürte, wann ich sichtbar sein durfte – und wann es klüger war, meine Bedürfnisse unsichtbar zu machen.

Einschlafen ohne zu weinen war nur möglich, wenn ich mich selbst stimulierte. Das wurde normal für mich. Erst viel später verstand ich: Ein Kinderkörper weiß nicht einfach so, wie das geht. Frühkindliche sexuelle Selbstregulation in dieser Ausprägung erzählt immer eine Geschichte. Und diese beginnt selten im Kind selbst. 

Verlust, Neuanfang und emotionale Entwurzelung

Meine Eltern waren mit sich selbst beschäftigt. Mit ihren Dramen, ihren Süchten, dem Alltag. Ich war oft allein – emotional, körperlich, existenziell. Als mein Vater plötzlich verschwand, veränderte sich alles – noch einmal. Ich verlor mein Zuhause, meine Großeltern, meine Freunde, meine Schule. Ich verlor den letzten Halt.

Was äußerlich folgte, war ein neues, tolles, perfektes Leben: Einfamilienhäuschen, neues Familienbild, neue Ordnung. Innerlich blieb das Chaos. Ich sollte funktionieren. Passen. Schweigen.

Ich wurde gezwungen, eine neue Realität mitzutragen. Manche meiner Bilder wurden vernichtet. Worte verboten. Erinnerungen umgedeutet. Es wurde festgelegt, wer zählt – und wer nicht. Ich wurde zur Projektionsfläche.

Alles, was ich fühlte, passte nicht mehr ins System. Ich passte nicht ins System. In die neue Realität. Ich war ein Störfaktor. Ein Repräsentant für das alte Leben, das man doch ein für allemal hinter sich lassen wollte.

Der sichere Ort – Co-Regulation durch Natur und Raum

So wurde meine Kindheit ein Raum aus Verwirrung, Anpassung und emotionalem Hunger. Mein Körper erinnerte, was mein Verstand nicht tragen konnte. Mein Nervensystem entwickelte eine stille Hochleistung: Ich lernte, zu überleben – nicht zu leben. Über viele Jahre hinweg.

Und doch: Es gab diesen einen Ort. Bis zu meinem zehnten Lebensjahr wuchs ich an einem der schönsten Orte der Schweiz auf. Direkt am See. Und auch heute noch, wenn ich zurückkehre, spüre ich dieses „Zuhause“. Der Duft. Die Berge. Das Licht. Der See. Ich weiß: Dieser Ort hat mich gerettet. Die Magie dieses Platzes war mein erster Co-Regulator. Mein erster sicherer Raum.

 

Trauriger Mann mit nacktem Oberkörper bedeckt sein Gesicht mit den Händen – Symbolbild für toxische Scham, innere Verletzlichkeit und Trauma“

Was das mit mir gemacht hat – Körpererinnerung und Beziehungsmuster

Ich habe Jahrzehnte gebraucht, um zu verstehen, was in mir wirkt: Warum mein Körper Nähe misstraut. Warum ich funktioniere, wenn ich lieben will. Warum ich mich oft nicht spüre – oder zu viel.

Ich brauchte lange, um mir einzugestehen, dass ich traumatisiert bin. Trauma ist mit Tabu belegt – mit Scham, Angst, Überforderung. Und ganz viel Schweigen.

Meine Geschichte ist nicht linear. Sie zeigt sich im Körper, im Nervensystem, in Beziehungen. Sie ist nicht vorbei. Aber sie verändert sich. Weil ich beginne, mich zu erinnern – nicht mit dem Verstand, sondern mit Mitgefühl.

Ich habe aufgehört, mich selbst zu gaslighten. Ich habe gelernt, meinem Körper zu glauben. Meiner Wahrheit zu vertrauen. Hinzuschauen, hinzuspüren, auch wenn die Bilder unklar bleiben. Verschwommen, unvollständig, nicht anerkannt.

Viele leere Polaroidfotos auf weicher Unterlage – Symbol für verdrängte oder fehlende Kindheitserinnerungen bei traumatischer Kindheit

Mein Weg zurück zu mir – Traumaheilung durch somatische Integration

Es begann mit dem Erlauben: Dass meine Erinnerungen fragmentiert sind. Dass nicht alles zusammenpasst. Dass ich trotzdem weiß, was war.

Ich fand Wege, mich zu regulieren – sanft, somatisch, ohne Überwältigung. Ich lernte, mein Nervensystem zu lesen. Mich zu beruhigen. Mich zu halten. Ich hörte auf, alles verstehen zu wollen – und begann, mein inneres Kind zu spüren.

Es gibt Tage, da meldet sich der Körper wieder. Mit Schmerz, mit Rückzug, mit einer inneren Welle. Aber ich weiß heute: Mein Körper spricht nicht, um mich zu strafen – sondern weil er bereit ist, loszulassen. Weil er bereit ist, Raum für etwas Neues zu machen.

Heute begleite ich Menschen durch Prozesse, die ich selbst gegangen bin. Nicht weil ich „fertig“ bin – sondern weil ich tief geerdet bin in der Würde der Unvollkommenheit. In meinem eigenen Schatten.

Warum ich das heute teile – Die Kraft des Sichtbarwerdens

Nicht um Schuld zu verteilen. Sondern um Unsichtbares sichtbar zu machen.

Um dich zu erinnern: Du darfst deiner Geschichte glauben – selbst wenn niemand sonst es tut.

Vielleicht ist deine Kindheit kein geordnetes Fotoalbum. Vielleicht sind da nur Fragmente. Vielleicht ist da viel Grau. Vielleicht scheint da gar nichts zu sein. Und doch: Wenn du beginnst, dieses Grau zu fühlen, statt es zu übermalen, wirst du entdecken – in den Rissen liegt das Licht.

Und du musst da nicht allein durch.

Fazit – Was bleibt, wenn die Erinnerung fehlt

Dieser Text ist keine Anleitung zur Heilung.
Er ist ein Zeugnis.
Ein Erinnern an das, was vielleicht noch nie bewusst erinnert wurde – aber doch in jeder Zelle gespeichert bleibt.

Kindheitstrauma muss nicht laut gewesen sein.
Es muss nicht sichtbar, erklärbar oder medizinisch diagnostizierbar sein.
Oft zeigt es sich in den leisesten Rissen:
In ungesunden Beziehungsdynamiken. In Körperreaktionen. Im ständigen Gefühl, irgendwie falsch, zu viel, zu sensibel zu sein.

Ja vielleicht auch einfach nur darin, dass man für sich selbst immer wieder negiert, was passiert ist. „war ja alles nicht so schlimm“, oder „meine Eltern konnten nicht anders, sie haben ihr bestes gegeben. Sie tragen auch ihr Päckchen.“

Was bleibt, wenn die Erinnerung fehlt, ist das, was immer da war: dein Körper.
Dein Spüren.
Dein Nervensystem, das versucht, dich zu schützen.
Und manchmal beginnt genau dort der Weg zurück – nicht in den Kopf, sondern in den Kontakt.

Wenn du dich in diesem Text wiederfindest, ist das kein Zufall.
Es ist ein Echo. Ein Spiegel.


Und vielleicht ist es der erste Schritt, deine eigene Geschichte zu ehren.
Auch wenn sie unscharf ist. Auch wenn sie niemand bestätigt.
Auch wenn sie noch keinen Anfang hat – und kein Ende sichtbar ist. Aber es lohnt sich, damit zu beginnen, deine Bilder, deine Geschichte zu sortieren. In einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende. Denn genau so können sich die abgespaltenen Fragmente, die unklaren Bilder sortieren. Und nach und nach kann Klarheit ins System fliessen.

 

Spa für deine Seele

Wie wäre es mit einem Wochenbeginn, der dein Nervensystem nährt – und einem Wochenausklang, der dir echten Frieden schenkt?

So dass dein Alltag wirklich entspannt, achtsam und bewusst von dir gelebt wird.

Im feinSEIN Abo wartet eine neue Routine auf dich.
Eine, die dich nicht antreibt – sondern bei dir ankommen lässt.
Nicht mit To-do-Listen. Sondern mit feiner Verbindung.

Ein Spa für deine Seele.
Ein Date mit deinem feinen Selbst.
Ein Raum für das, was du längst weißt – und endlich leben darfst.

Jaaa wir wissen: Popups nerven & rauben Zeit 👀

Und Zeit ist bekanntlich Geld. Apropos...

  • Kann es sein, dass Geld immer wieder als Thema in deiner Biographie aufklappt?
  • Zieht sich beim Gedanken an Geld schon ganz leicht deine Magengrube zusammen?
  • Vor lauter Money Mindset Mastern kannst du schon nicht mehr klar denken und das Portemonnaie ist immer noch leer?

🌀Vielleicht ist das Popup hier genau zum richtigen Zeitpunkt aufgeploppt, wenn du endlich Fülle spüren und leben willst.

Im Geld & Trauma -Workshop zeigen wir dir, wie das geht.

Still. Tief. Transformierend. – Live oder als Aufzeichnung.